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Neuroanatomie: Peripheres Nervensystem

Dr. John V. Urbas, <dr.john.urbas@online.de>

Austritt der Spinalnerven

Überblick

Die Wurzeln der Spinalnerven treten segmental aus der Medulla spinalis aus. Das bedeutet, dass sich den insgesamt 31 Zwischenwirbelsegmenten auch 31 Spinalnervenwurzeln zuordnen lassen. Aus dem Rückenmark entspringen pro Segment, jeweils links und rechts:

Kurz nachdem sie das Rückenmark verlassen haben, schließen sie sich zu einem gemeinsamen Bündel zusammen und verlaufen durch das Foramen intervertebrale ihres Segments.

Entsprechend der Gliederung der Wirbelsäule gibt es:

Grundäste eines Spinalnervs

Anatomie

Nur auf seinem kurzen Verlauf von ca. 1 cm durch das Foramen intervertebrale wird der Nerv als Spinalnerv bezeichnet. Nachdem er durch das Foramen gelaufen ist, verzweigt er sich in folgende Äste (Abb. 1):

Segmentale Gliederung

Entwicklung und Bedeutung

Die nervale Versorgung der Gewebsstrukturen bei Wirbeltieren ist in Segmente unterteilt.

Alle Strukturen einer gleichen Gewebeart oder einer gleichen Funktionseinheit, die man einzelnen Segmenten zuordnen kann, erhalten in diesem Zusammenhang eine bestimmte Bezeichnung:

Die segmentale Gliederung richtet sich nach dem Foramen intervertebrale, aus dem die Radix (Wurzel) des Nerven entspringt.

Spinalnerven und Plexusbildung

Überblick

Jede der 31 Spinalnervenpaare beinhaltet Tausende von Nervenfasern, die alle Körperteile außer Kopf und Teile des Nackens versorgen. Alle Spinalnerven sind sensorisch-motorisch gemischte Nerven.

Die dorsale Rumpfinnervation

Die Innervation des dorsalen Rumpfes erfolgt nach einem einfachen, segmentalen Muster.

Die ventrale Rumpfinnervation

Die Rr. anteriores der Spinalnerven Th2–Th12 verlaufen zwischen den Rippen als Nn. intercostales.

Plexusbildung

Die Rr. anteriores aller Spinalnerven außer Th2–Th12 vereinen sich lateral der Wirbelsäule und bilden dabei komplexe Nervengeflechte (Abb. 1).

Innerhalb eines Plexus durchkreuzen sich die Nerven wiederholt und werden neu verteilt. Als Folge:

Plexus cervicalis

Aufbau und periphere Nerven

Plexus cervicalis Der Plexus cervicalis (Halsgeflecht) aus den Rr. anteriores der Halssegmenten C1–C4 liegt tief im Nacken und versorgt Haut und Muskeln in der Hals- und Schulterregion.

Die Rr. anteriores geben jedoch, bevor sie den Plexus cervicalis bilden, kurze tiefe Muskeläste ab, welche folgende Halsmuskeln innervieren:

Die Rr. posteriores, die keinen Plexus bilden, innervieren motorisch:

Sensibel versorgen sie die dorsale Nackenhaut.

Plexus brachialis: 1

Aufbau

Der große, wichtige Plexus brachialis (Armgeflecht) aus C5–Th1 (oft kommen auch Fasern aus C4 und/oder Th2) liegt zum Teil im Nacken und zum Teil in der Axilla.

Der Plexus brachialis ist sehr komplex und wird oft als Alptraum des Physiotherapeuten bezeichnet!

Der Plexus oberhalb der Klavikula (der supraklavikuläre Anteil) besteht aus drei Primärstämmen, die dann dorsal an der Klavikula vorbei verlaufen (Abb. 1):

Periphere Nerven des supraklavikulären Teils

Aus den supraklavikulären Trunci zweigen folgende Nerven ab:

Pars infraclavicularis

Auf der infraklavikulären Seite (d.h. zwischen Clavicula und Achselhöhle) lagern sich die Trunci um und bekommen neue Bezeichnungen, die nach ihrer Lage zur A. axillaris benannt werden.

Periphere Nerven des infraklavikulären Teils

Aus den infraklavikulären Faszikuli zweigen folgende Nerven ab:

Letztendlich teilen sich die drei Faszikuli in sieben periphere Nerven auf und innervieren den Arm und die Hand (Abb. 2).

Plexus brachialis: 2

Die 7 wichtigsten peripheren Nerven

Diese sieben peripheren Nerven, die aus den drei Faszikuli des Plexus brachialis entstehen, versorgen die obere Extremität. Ihre Ursprünge sind (Abb. 1):

Plexus brachialis

Nerven des Fasciculus lateralis

Nervus musculocutaneus (C5–C7)

Dieser Nerv verläuft durch den M. coracobrachialis.

Nervus medianus (C6–Th1)

Der N. medianus entsteht aus zwei Wurzeln (Abb. 1 und Abb. 2).

Beide Wurzeln vereinigen sich und bilden die Medianusgabel vor der A. axillaris.

Motorisch versorgt der N. medianus die Pronatoren und die meisten Beugemuskeln des Unterarmes und des Daumens.

Sensibel versorgt der N. medianus die palmaren Hautbezirke der radialen Hohlhand und des 1. bis 4. Fingers, wobei nur die radialen Seite des 4. Fingers versorgt wird (Abb. 3).

Nerven des Fasciculus posterior

Nervus axillaris (C5, C6)

Der N. axillaris verläuft sofort nach dorsal und schlingt sich dabei auf der glenohumeralen Gelenkkapsel um das Collum chirurgicum herum (Abb. 1).

Nervus radialis (C5–Th1)

Der N. radialis zieht im Sulcus nervus radialis mit einem spiralförmigen Verlauf dorsal um den Humerusschaft herum und verläuft danach weiter an die Streckseite des Armes.

Motorisch versorgt der N. radialis die Strecker (= Extensoren) des Ober- und Unterarms:

Sensibel versorgt der N. radialis die Streckseite (Dorsalseite) von Ober- und Unterarm sowie den radialen Handrücken und die Streckseite der Grund- und Mittelphalangen der radialen 2½ Finger (Daumen, Zeigefinger, radiale Hälfte des Mittelfingers, Abb. 2).

Nerven des Fasciculus medialis

Nervus ulnaris (C8 und Th1)

Die Ulnarislähmung ist die häufigste periphere Nervenschädigung des Menschen. Der Nerv ist besonders im dorsomedialen Ellbogenbereich ziemlich exponiert.

Der N. ulnaris versorgt motorisch den meist ulnaren Teil der Beugemuskeln des Unterarmes, die Handmuskeln, die Muskulatur des Kleinfingerballens.

Sensibel versorgt er die Haut der ulnaren Streckseite (Dorsalseite) der Hand sowie der dorsalen 2½ ulnaren Finger (Finger V, IV und ulnarer Hälfte von III).

Je nach Ort einer Schädigung spricht man von einem Ulnarisrinnen-Syndrom oder einem Loge-de-Guyon-Syndrom

Nervus cutaneus brachii medialis (Th1, Th2)

Der N. cutaneus brachii medialis ist rein sensibel und versorgt die mediale Haut des Oberarms (Abb. 3).

Nervus cutaneus antebrachii medialis (C8, Th1)

Dieser Nerv ist auch rein sensibel. Er versorgt die mediale Haut des Unterarms.

Plexus lumbosacralis

Überblick

Die ventralen Äste der Spinalnerven Th12–S4 bilden wie die ventralen Äste im Halsbereich ein Nervengeflecht, den Plexus lumbosacralis (Abb. 1).

Plexus lumbalis

Der Plexus lumbalis wird von den Rr. anteriores der Segmente Th12–L4 hinter dem M. psoas major gebildet.

Der Plexus lumbalis bildet sieben Nerven (Abb. 2):

Nerven des Plexus lumbalis: 1

Nervus subcostalis (Th12)

Der N. subcostalis läuft am Unterrand der 12. Rippe nach ventral.

Sein Ramus cutaneus lateralis versorgt sensibel die seitlichen Hautareale über der Hüfte. Der N. subcostalis versorgt motorisch folgende Muskeln:

Nervus iliohypogastricus (Th12–L1)

Der N. iliohypogastricus zieht zwischen der Niere und dem M. quadratus lumborum hindurch, durchbohrt den M. transversus abdominis und verläuft proximal der Crista iliaca zwischen diesem Muskel und dem M. obliquus internus abdominis nach ventral.

Der N. iliohypogastricus innerviert motorisch folgende Muskeln:

Mit seinem sensiblen Endast, dem R. cutaneus anterior, innerviert der N. iliohypogastricus die Haut oberhalb der Leiste.

Nerven des Plexus lumbalis: 2

Nervus ilioinguinalis (L1)

Der N. ilioinguinalis verläuft nahezu parallel zum N. iliohypogastricus, jedoch etwas weiter kaudal. Er versorgt motorisch folgende Muskeln:

Er erscheint am äußeren Leistenring als Hautnerv.

Nervus genitofemoralis (L1–L2)

Der N. genitofemoralis durchbohrt den M. psoas major und teilt sich in zwei Äste auf.

Diese Äste sind für den Kremasterreflex verantwortlich.

Nerven des Plexus lumbalis: 3

Nervus cutaneus femoris lateralis (L2–L3)

Der N. cutaneus femoris lateralis führt allgemein-somatosensible Fasern.

Nervus femoralis (L1–L4)

Beim N. femoralis handelt es sich um den stärksten Nerv des Plexus lumbalis.

Motorisch innerviert der N. femoralis folgenden Muskeln:

Sensibel versorgt er Teile des Oberschenkels.

Der sensible Endast des N. femoralis, der N. saphenus, zieht mit der A. femoralis durch den Adduktorenkanal (Canalis adductorius) an der medialen Seite des Kniegelenks hinter dem medialen Femurepikondylus entlang.

Nervus obturatorius (L2–L4)

Der N. obturatorius verläuft am medialen Rand des M. psoas nach kaudal bis in das kleine Becken, das er durch den Canalis obturatorius des Foramen obturatum verlässt.

Nerven des Plexus sacralis: 1

Überblick

Plexus sacralis Der Plexus sacralis wird von den Rr. anteriores der Segmente L4–S4 gebildet.

Die peripheren Nerven die unmittelbar aus dem Plexus sacralis kommen sind:

Nervus gluteus superior (L4–S1)

Dieser Nerv zieht über das Foramen suprapiriforme aus dem Becken. Er innerviert motorisch:

Nervus gluteus inferior (L5–S2)

Der N. gluteus inferior verlässt das Becken durch das Foramen infrapiriforme und versorgt motorisch:

Nerven des Plexus sacralis: 2

Nervus pudendus (S2–S4)

Der N. pudendus bildet eine Art Plexus pudendus, der aus dem Foramen ischiadicum majus durch das Foramen infrapiriforme aus dem Becken zieht.

Er gibt in seinem Verlauf folgende Äste ab:

Nervus cutaneus femoris posterior (S1–S3)

Dieser Hautast des Plexus sacralis tritt auch durch das Foramen infrapiriforme aus dem Becken aus.

Außerdem gibt er im Verlauf folgende sensible Äste ab:

Nerven des Plexus sacralis: 3

Nervus ischiadicus (L4–S3)

Der N. ischiadicus (Ischiasnerv) ist der längste und dickste Nerv (ca. 1 cm Durchmesser) des Menschen.

Nervus tibialis (L4–S3)

Schon auf der Dorsalseite des Oberschenkels versorgen Äste des N. tibialis die Knieflexoren (Abb. 1).

Folgende Äste gibt er in seinem Verlauf ab:

Nerven des Plexus sacralis: 4

Äste des Nervus tibialis

— Rami musculares (im Oberschenkelbereich)

— Rami musculares (im Unterschenkelbereich)

Nerven des Plexus sacralis: 5

Weitere Äste des Nervus tibialis

— Nervus suralis (L4–S2)

— Nervus plantaris medialis

— Nervus plantaris lateralis

Nerven des Plexus sacralis: 6

Nervus fibularis (peroneus) communis (L4–S2)

Wie vorhin schon erwähnt, teilt sich der N. ischiadicus in zwei großen Endäste auf: der N. fibularis communis (nach lateral) und der N. tibialis (nach medial).

— Nervus fibularis profundus (L4–S2)

— Nervus fibularis superficialis (L4–S2)

Klinik: Plexus lumbosacralis — 1

Einführung

Für den folgenden Text wenden Sie sich auch an Abb. 1, Abb. 2 und Abb. 3, um die Hautinnervation der unteren Extremität zu sehen.

N. cutaneus femoris lateralis

Kompressionen des N. cutaneus femoris lateralis führen zum sog. Inguinaltunnelsyndrom mit Schmerzen und Sensibilitätsausfällen im Versorgungsgebiet des Nerves.

N. femoralis

Ein Ausfall des N. femoralis führt je nach Läsionsort zu Sensibilitätsstörungen im entsprechenden Ober- und Unterschenkelbereich sowie zu Muskelparesen.

N. obturatorius

Ein Ausfall des N. obturatorius (z.B. durch Beckenfrakturen verursacht) führt zu Sensibilitätsstörungen im entsprechenden Hautgebiet sowie zu Lähmungen der Adduktoren.

Klinik: Plexus lumbosacralis — 2

N. gluteus inferior

Ein Ausfall des N. gluteus inferior führt zu einer Lähmung des M. gluteus maximus, welcher der stärkste Strecker im Hüftgelenk ist.

N. ischiadicus

Bei einem Ausfall des N. ischiadicus kommt es zur Lähmung der ischiokruralen Muskulatur und aller Muskeln des Unterschenkels und des Fußes sowie zur Sensibilitätsstörungen im Unterschenkel- und Fußbereich.

Der Ischiadikusläsion liegen iatrogene Schäden (z.B. „Spritzenlähmung“, Hüftgelenkoperationen), Luxationen und Frakturen im Bereich des Hüftgelenks und Oberschenkels, Schussverletzungen oder Tumoren zugrunde.

N. fibularis communis

Bei Frakturen des Fibulaköpfchens oder des Sprunggelenks kann es sehr schnell zu einer Verletzung des N. fibularis communis kommen.

Die proximale Peroneuslähmung wird durch eine Fuß- und Zehenheberparese gekennzeichnet (Läsion des N. fibularis communis bzw. N. fibularis profundus).

Klinik: Plexus lumbosacralis — 3

N. fibularis profundus

Eine Läsion des N. fibularis profundus (häufig bei Tibiaschaftfrakturen oder dem sog. Tibialis-anterior-Syndrom) führt neben der charakteristischen Sensibilitätsstörung im Zehenzwischenraum der 1. (Hallux) und 2. Zehe zur Lähmung der Dorsalextensoren.

N. fibularis superficialis

Ein Ausfall des N. fibularis superficialis führt neben Sensibilitätsstörungen zu einer Supinationsstellung des Fußes, da das Ausführen einer Pronationsbewegung (Anheben des lateralen Fußrands) schwer eingeschränkt ist.

N. tibialis

Eine proximale Läsion des N. tibialis (z.B. bei Tibialisfrakturen) führt neben Sensibilitätsstörungen zur Lähmung der Flexoren des Unterschenkels, so dass der Achillessehnenreflex ausfällt und der Fuß nicht mehr plantarflektieren kann.

Neuroanatomie






Peripheres Nervensystem






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